Erinnerung an Heimat? (Teil 2)
Meine Antworten auf freundlichen Fragen
Brief – An Evangelische Kirche Grimmen, 09. Mai 2024
Das Ergebnis war - nach dem Abitur trat ich aus der evangelischen Kirche aus. Ich wollte nicht in einer intoleranten und antisemitischen Kirche Mitglied sein, in dem vor allem die Nazi-Zeit verdrängt wurde. Damals - nach 1945 – wurden die „Nicht-Arier“, Juden oder Schwule weiterhin in der Kirche abgelehnt und verfolgt - wie in der Zeit von 1933 bis 1945
1972 machte ich aktiv Wahlkampf für einen Landtag in Baden-Württemberg - und für einen neuen Bundestag - im sogenannten Willy-Wahlkampf – ich machte für einen Jugendwahlkampf für den sozialen und evangelische Lehrer Erhard Eppler. Dieser Wahlkampf war sehr erfolgreich…
Ein Fehler – denke ich heute.
In dieser Zeit machte sich eine widerliche Politik in der SPD und ihren Jusos breit, die eine Nähe zur diktatorischen DDR suchten. DDR-Kommunisten wollten in Westdeutschland versuchen, mit einer Ideologie des Stamokap („Staatsmonopolistischer Kapitalismus“) die Sozi-Linken und vor allem vor die Jusos verändern. Viele Jusos reisten fröhlich damals zu ihren kommunistischen Genossen und feierten deren KP-Politik in der Diktatur.
Aber in dieser Zeit war ich kein SPD-Genosse mehr - diese Sozi-Partei war für mich nicht mehr sozial und auch nicht richtig demokratisch – demokratisch wie ich es mir vorstellte. Die SPD war nicht mehr meine Partei.
Und ich war sehr erstaunt: Erhard Eppler hetzte weiterhin gegen Liberale und Konservativen in Westdeutschland - und wurde immer grünlicher, grüner und sozialistischer in seiner Politik (wie er es offenbar in seiner alten Öko-Nazi-Zeit gelernt hatte – im dritten Reich bei der SS) - und sein seltsamer Hass gegen die Politik des SPD-Bundeskanzlers Helmut Schmidt, ein sozialdemokratischer Politiker, wurde immer unerträglicher – gegen die US-Atomwaffen, nicht aber gegen UdSSR-Atomwaffen.
1987 verhandelte Erhard Eppler in Ost-Berlin ein „SED/SPD-Dialogpapier“- Titel: „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“. Die klugen Kritiker des kommunistischen Verbrecher-DDR-Systems wurden von diesen sozialistischen Sozis nicht beachten. Im Gegenteil - bekämpft. So wie auch von den linken Medien in Westdeutschland.
Kurze Zeit später – bekannt durch die NSDAP-Mitglieder-Karteien aus den USA - wurde der west-sozialistischer Sozi-Politiker Erhard Eppler mit seiner Mitgliedschaft in der NSDAP bis 1945 konfrontiert - eine sehr hässliche Lehrer-Tradition: sein Vater von Erhard Eppler war der Oberstudiendirektor im Gymnasium in Schwäbisch Hall, selbstverständlich war der Eppler-Vater NSDAP-Mitglied.
Seine Nazi-Vergangenheit wurde Jahrzehnte von Eppler öffentlich verschwiegen - er konnte sich offenbar nicht erinnern - wie auch der linke Rhetorik-Professor Walter Jens und seine Nazi-Reden als Dozent in Freiburg. Oder der SS-Soldat Günter Grass, der seine Zeit bei der Waffen-SS mit Vergessen verdrängt hatte (wie viele Nazis) - dieser deutsche Dichter Grass sprach erst als Literatur-Nobel-Preisträger über seine Nazi-SS-Zeit.
Diese drei Sozialisten Eppler, Jens und Grass hetzten aber gegen ihre Gegner, vor allem gegen Konservative oder Liberale. Ihre politischen Gegner wurden als von den drei als Nazis beschimpft. Für mich war das eine Politik aus dem bösen Denken – aus der Tradition eines „braunen und roten Sozialismus“ geboren … ganz aus der Tradition der beiden deutschen Diktaturen gezeugt.
Ich könnte diese drei Persönlichkeiten verstehen, wenn sie ihre Nazi-Vergangenheit ehrlich in der Öffentlichkeit dargelegt hätten – Fehler, auch politische, machen die meisten Menschen in ihrem Leben. Die drei aber haben ihr ganzes Leben lang durch ihr tägliches Lügen verseucht.
Klar … Alte Sozi-Tradition des Verdrängens. Wie damals bei den Kriegskrediten 1914. Oder bei Hitlers Außenpolitik 1933. Spießer-Politik.
Wie gesagt – bis zum Abitur war ich Mitglied in der evangelischen Kirche. Dann trat ich aus dieser Kirche aus. Ein Heide war ich bis 2006.
Ich bin heute katholisch - wegen Papst Johannes Paul II. – für mich ein „Heiliger“, wahrlich. Ich bewunderte den Polen Karol Józef Wojtyła, ein glühender Nazi-Gegner und glühender Kommunisten-Gegner …
Katholisch wurde ich auch wegen der klugen Überlegungen des Schriftstellers Ernst Jüngers, ein phantastischer und konservativer Revolutionär, der 1996 zur römisch-katholischen Kirche konvertierte.
Er entwickelte sich nach dem ersten Weltkrieg als grandioser konservativer Revolutionär, für den Nazis nur die „Herrschaft des Pöbels“ waren - für Ernst Jünger waren die SA-Braunhemden nur eine „lumpen-proletarische Bande“ im dritten Reich.
Und außerdem: bei aller Kritik an der Kirche - ich bin gern katholisch – auch gelegentlich ein begeisterter Katholik - in Künzelsau im Internat waren in meiner Klasse Dreiviertel der Schulkameraden katholisch … das prägte.
In dieser Schulzeit in Künzelsau ging ich auch jeden Sonntag in die Kirche - einmal evangelisch, dann katholisch - im Wechsel … Franz Josef Kuhnle war der Priester, früher Weihbischof in Rottenburg … ich fühlte mich in seinen Messen gut aufgehoben.
In meiner evangelischen Zeit – und jetzt als Katholik – war ich niemals ein frommer Christ gewesen. Kein Heuchler. Wahrlich, wahrlich. Ich bin jetzt Mitglied in einer zweitausend Jahre alten Organisation, die tausende Jahre unsere Welt verändert hat – zum Guten und zum Schlechten. Ich sehe die guten Seiten stärker – momentan noch.
Allerdings. Die Katholische Kirche betrachte ich heute sehr, sehr kritisch (wie die evangelische Kirche auch). Ich will keine grüne Öko-Kirche, auch keine schwarz und rote … und ich will auch keine Kirche, die Kriege unterstützt …
Ich will auch keine Religionen, die den Staat beherrschen – wie teilweise der Islam, Juden in Israel und Christentum. In einem demokratischen Staat muss die Religion eine Privat- Angelegenheit sein – ist meine Ansicht.
Ich lehne Religionen ab, die Kriege unterstützen. Wie jetzt gerade in Syrien, Israel, Palästina.
Meine Mutter (*1921) wurde 1934 von einem „Deutsche Kirche“- Pfarrer zunächst nicht konfirmiert, ein Nazi – er wollte nicht konformieren, weil meine Mutter nicht richtig arisch geboren war (wegen aus ihren polnischen Verwandten) … die Mutter meiner Mutter (1924 gestorben), also meine Großmutter, war der „arische“ Angelpunkt für den Nazi-Pfarrer.
Mein Großvater wurde offenbar dann sehr heftig in seiner ev. Kirche, heißt es … und trotzdem - nach dieser „nicht-christlichen Konfirmation“ – zog meine Mutter 1935 nach Berlin zur Schwester ihres Vaters, um dort eine Lehre zu beginnen.
Die evangelische Kirche war damals offenbar eine Nazi-Kirche - weit über 90 Prozent.
In Berlin heiratete meine Mutter später einen Berufssoldaten, Heinz Genetzky, im Jahr 1940 … 1944 war sie schon mit 23 Jahren eine Kriegerwitwe. Und zog wegen der täglichen Bombenangriffen in Berlin nach Kreuz.
Mein Vater (* 1921) war immer schon Gegner-Nazi, auch als Wehrmacht-Soldat (1939 - 1944) und wird nach der russischen Kriegsgefangenschaft Mitglied in der SED - und er war Atheist - er ging nie in die Kirche.
Eine Nachbar-Witwe Berta Franz (Witwe seit dem ersten Weltkrieg) in der Strohstraße 7 in Grimmen, nahm mich sonntäglich zum Gottesdienst in die evangelischen Kirche St. Maria mit – in meine Taufkirche. Mit dem Segen meiner Mutter, die auch nie in die Kirche ging.
Als meine naiven Fragen wegen der Juden („die Gottesmörder und auch Christusmörder, die Heilandsmörder“) und der Katholiken („Wider das Papsttum in Rom, vom Teufel gestiftet“) antwortete mir der Kriegswitwe Berta Franz ganz „evangelisch“ mit diesen zitierten Worten – unchristlich.
Die Reaktion meiner Mutter war heftig – sie hat mir den sonntäglichen Witwe-Kirchgang verboten - ich durfte dann nur noch in den Kinder-Gottesdienst gehen - in das Gemeindehaus in der Mühlenstraße Grimmens. Stimmt das noch – in der Mühlenstraße?
Meine Frage an Berta Franz hatte einen Hintergrund: eine Nachbarin-Freundin von mir war katholisch. Gegen mit ihrer kindlichen Freude hielt diese Freundin als Katholikin ihren Glauben und ihre Kirche gegen meine glühenden Erzählungen meiner evangelischen Witwe-Gottesdienste. Diese Freundin war das Kind aus einer Flüchtlings-Familie aus dem Sudeten-Land. Ich mochte sie sehr.
Naja. Meine Schwester hat einen Sikh aus Indien geheiratet ... deren Tochter und ihre ganze Familie sind alle Sikh … sehr verwirrend bei mir.
Meine Antworten auf Ihre Fragen sind nun recht üppig ausgefallen. Das tut mir leid. Sie haben bei mir einen Vulkan spucken lassen.
Peinlich ist mir auch, dass ich diesen Brief auch per Post geschickt habe - eine noch nicht korrigierte Fassung. Wegwerfen – bitte. Hier ist die richtige Fassung.
Sie sehen, lieber Frau Maroch, Grimmen ist in meinem Denken immer noch sehr präsent – auch als 75jähriger Mann.
Das wunderbare Buch „Kirchliches Leben zwischen Trebel und Strelasund“, dass ich bei Ihnen bestellt hatte – und Sie mir geschickt hatten, ist sehr, sehr schön, meine Heimat Vorpommern pur - und für mich interessant.
Vielen herzlichen Dank. Mehr als eine Stunde hatte ich schon im dicken Buch geblättert – jetzt lese ich es – am Tisch sitzend. Im Bett geht das Lesen dieses dicke und 4,8-Kilogramm-schwere Buches nicht.
Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit in Grimmen. Einen wunderbaren Sommer.
Viele Grüße – auch an den Pfarrer.
Ihr Jürgen Dieter UECKERT
09.05.2024
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