JDUeckerts Rede zum echo-Abschied
Der Auftrag war:
echo soll erfolgreich sein.
War es.
Von Jürgen Dieter Ueckert
Abschied als echo-Chefredakteur
in der DistelLitLounge
Cafè-Bar-Restaurant,
Sonnengasse 11, 74072 Heilbronn
Donnerstag, 18. Dezember 2008
Vielen herzlichen Dank für die Einladung,
lieber Herr Distelbarth,
lieber Herr Herzberger.
Ich habe mich sehr gefreut.
Liebe Kollegen von der Stimme.
Liebe echo-Kolleginnen und -Kollegen.
Fehlt Ihnen was? Wurde ich gefragt. Klar. Mir fehlt was sehr. Die
tägliche Lektüre von BILD, Welt, FAZ - das fehlt. Genau in
dieser Abfolge. Ich hatte mich daran gewöhnt. Als Axel-Springer-Fan.
Und natürlich die Redaktion – auch tägliche Routine-Arbeit wie Post -
und die Kommunikation in der Redaktion. Das fehlt mir sehr.
Erinnern Sie sich: Sechzig Jahre – und kein bisschen weise – so hieß es
bei mir am 21. September 2008.
Und nun? 60 Jahre alt - weder klug - noch voller Wissen, keine
Eigentumswohnung und kein anständiges Auto. Was will ich mehr – fast wie bei
Astrid Lindgren in ihrem wunderbaren Buch „Rasmus und der Landstreicher“ –
geistig und philosophisch gesehen. Und daran werde ich mich gewöhnen müssen:
mein neues Landstreicher-Leben. Das ist alles nicht gerade schwäbisch – oder gar
nicht protestantisch gedacht. Dafür aber mehr meck-pomm-mäßig und sehr
katholisch. Denk ich mir.
Dabei – war das alles anders gedacht. Von mir zumindest. So mit 65 in
die Rente. Darauf zielten alle meine Versicherungen hin. Aber – aber - falsch
gedacht, Ueckert. Der Mensch denkt, Gott lenkt.
Da steh ich nun, ich armer Tor. Und bin so klug als wie zuvor. – Dabei
habe ich überhaupt gar nicht gedacht –- und was nun? Ins Kloster? Geht nimmer.
Die Mönche bieten ja kein Altersheim für Redakteure an, die sich nur selber
bedauern. Kloster-Versicherungen gibt es auch nicht.
Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. So heißt der schöne Spruch. Klingt mir aber nach protestantischer
Propaganda. Passt irgendwie hinein in unsere komische Welt – voller Finanzkrisen,
voller lustiger Events, die vielen Tänze auf dem Vulkan. Und ich staune nur
noch. Alles so schön bunt hier - wie einst Pop-Sirene Nina Hagen jaulte.
Ist ja nicht so schlimm. Das Fernsehen hat den Journalismus verändert.
Journalisten sind nicht nur mehr die distanzierten Beobachter – sie sind heute
Teil der Show - all over the world. Die ganze Welt eine Bühne. So wie ich jetzt
im Moment - hier auf meiner kleinen Bühne.
Dabei fing bei mir alles ganz klein und lieb an. Neckar Express und
Südfunk – das war doch nett. Ich als erster Praktikant 1974 beim Südfunk-Studio
– bei Werner Kieser. Seminare, Sprecher-Ausbildung in Stuttgart – jede Woche.
Freie Mitarbeit in der SDR-Kultur-Redaktion. Ich konnte machen, was mir
so gefällt.
Theaterintendanten waren strutsauer, schrieben böse Briefe – und wir
hielten das schwäbische Fähnlein des sauberen und wackeren
Kultur-Radio-Journalismus hoch. Das prägt. Auch wenn kaum jemand zugehört
hatte.
Trotzdem - gutes Theater wurde damals im Ländle gemacht – in Stuttgart
bei Claus Peymann (heute Berlin), bei Achim Thorwald in Esslingen (heute
Karlsruhe), bei Klaus Pierwoß in Tübingen oder Achim Plato in Schwäbisch Hall –
mit Hans Gratzer aus Wien und Kurt Hübner aus Berlin. Beeindruckend. Das war
auch die Zeit, in der am Stadttheater Heilbronn die Intendanten Walter Bison
und Klaus Wagner arbeiteten und wirkten. Beide haben mich nicht sonderlich
beeindruckt. Wie andere Intendanten auch nicht – so ist das im Leben.
Ähnlich wie auch die Theaterarbeiten in Pforzheim oder Jagsthausen
nicht. Theater wie aus Mutters Gsälz-Topf - nett und bieder, schrieb Gerhard
Stadelmaier in der Stuttgarter Zeitung, heute FAZ-Theaterkritiker.
Warum erzähle ich davon? Theater hat sehr viel zu tun mit Zeitung,
Magazin, Illustrierte - auch natürlich mit Radio oder Fernsehen. Was wir in der
Zeitung sehen und lesen ist nicht die Realität - nur ein Ausschnitt davon, eine
Reflexion darüber. Gebrochen durch die subjektiven Sichtweisen von Journalisten
– durch Verkürzung der Fakten. Die Realität in einem Brennspiegel – auch
teilweise im Zerrspiegel. So ist fürchterliche, langweilige Realität
konsumierbar und auch verstehbar für die Zeitgenossen. Da gibt es Regeln –
Verbote und Gebote, etc.
Ähnlich wie bei der aristotelischen Dramentheorie im Theater oder gar im
Film – die für Tragödie oder Komödie gelten - auch noch für Micky-Maus-Filme.
So wie bei Zeitungen die Überschriften, Texte, Sätze, Buchstaben, Schriftarten,
etc. geordnet sind – so ihre Wirkungen bei den Lesern entfalten – oder auch
nicht.
Beispiel – ein kleines Mädchen, ein Bettelkind, erfriert in der Nacht
von Silvester zu Neujahr. Eine schlichte Meldung. Sie kennen vielleicht die
Erzählung: „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ - von Hans Christian Andersen.
Das ist die Geschichte dazu - brutale Realität aus dem Leben, fürchterlich
traurig – und plötzlich wird aus einer Meldung grandiose Literatur.
Zurück zum Journalisten-Alltag. Ich war nie ein rasender Reporter. Wie
Egon Erwin Kisch. Oder wie Billy Wilder, Reporter und Regisseur, in seiner
Journalisten-Komödie „Extra-Blatt“ diese Zeitung-Welt karikiert hat. Mit Walter
Matthau als Herausgeber und Jack Lammon als rasendem Reporter – Zeitungsmacher,
die für eine Exklusiv-Geschichte eines anarchistischen Polit-Terror-Mörders in
Chicago ihre alte Großmutter verkaufen würden.
Eine lustige und gleichzeitig tragische Karikatur - das hatten wir ja
auch in Deutschland im Gladbecker Geiseldrama. Da hatten sich Reporter, das
Fernsehen, die Journaille nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Im Gegenteil.
Im FAZ-Feuilleton wird klug darüber nachgedacht. Dort – in der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung habe ich auch nicht schriftlich nachgedacht. Denn - nun
– als dieser Gerhard Stadelmaier vom FAZ-Feuilleton mir eine freie
Mitarbeit für Baden-Württemberg anbot, da war ich erstaunt - und für die große
Welt zu ängstlich. Und entschied mich für Radio Regional Heilbronn.
Frisch, privat und mit viel Pionier-Arbeit. Das machte mir Spaß. Wir
berichteten über einen konservativen Politiker, der in einer schummrigen Bar in
Hessen, Haschisch geraucht haben soll – ansonsten aber für Ordnung und
Sauberkeit kämpfte. Er wurde nicht Landtagsabgeordneter. Kein
welterschütternder Skandal – eine Alltags-Notiz aus der Provinz. Im Kern aber –
meine ich - mit der Aussicht auf Literatur-Qualität. Wenn man es kann.
Literatur im Privat-Radio? Oh, Gott, nein, das habe ich nicht gemacht. Nur
schlichte Berichterstattung.
Wir haben halt ein Radio für die Heimat gemacht – mit Berichten aus
aller Welt, aus Deutschland und der Region. Und das recht erfolgreich. Bis die
Politik dazwischen kam und sagte, das ist uns zu erfolgreich für einen
Zeitungsverlag. Und so wurde aus Radio Regional ein Radio Ton.
Und das war nicht mehr mein Radio.
Den Sprung ins kalte Wasser, zum Beispiel in die FAZ-Freien-Mitarbeit,
den habe ich nicht gewagt. Das war nicht mein Charakter. Lieber festangestellt
in der Provinz anständig verdient - als in der Metropole vielleicht irgendwann
berühmt werden – als schreibender Artist auf dem Seil ganz oben unter der
Zirkuskuppel.
Und die redaktionelle Arbeit bei uns in der Provinz war ja auch
erfolgreich: zunächst im Südfunk, dann im Neckar Express und
nebenher beim Südfunk-Radio, später beim Radio Regional, wieder
im Neckar Express und schließlich im echo. Pionier-Knochen-Arbeit
auf verschiedenen Medien-Dampfern des schwäbischen Binnenmeers.
Aber - wollte ich das? Klar – die nebulöse Sehnsucht ist bei jedem
Provinz- oder Metropolen-Redakteur vorhanden. Den großen Roman schreiben, den
aufklärerischen, alle Skandale eines Lebens aufdeckenden, den Roman über
Heilbronn schreiben – vielleicht - oh Gott, oh Gott, oh Gott – als Rentner dann
irgendwann. Als Thomas-Männle vom Neckar. Den gibt es doch schon, im
Selbstverlag – und keiner liest ihn.
Groß, klug und berühmt werden? Nein, sagt der Fuchs, als er die Kirschen
da oben im Baum sah - die sind mir zu sauer.
Oder reich? Ja - nein – vielleicht - höchstens durch die Lotterie. Ich
bin kein Kaufmann. Klar - erfolgreich mit der Schreibe – über was auch immer.
Aber nach kurzem Nachdenken war mir klar, dass ich für solche Arbeit zu wenig
Gaukler war. Ich liebe das Theater. War aber viel zu wenig Schauspieler,
Moderator, Conférencier – in der journalistischen Wirklichkeit. Theater ist für
mich ein Zerrspiegel, um über die Welt nachzudenken – aber bitte mit Distanz.
So litt ich ein wenig unter meinem nicht vorhandenen Genie - und
verdiente ein wenig Geld, als Provinzler und Spießer. Und vergrub mich in die
Arbeit – und ließ mein privates Leben sausen, als lustigen Film nebenher
laufen. Mehr Komödie als Tragödie.
War das ein Leben? Ja, das ist mein Leben. - Dabei hatte ich wunderbare
Menschen kennengelernt, die mein Leben sind. Bei diesen herrlichen und
liebenswerten Menschen muss ich mich ganz herzlich bedanken. Ohne die kann ich
hier nicht stehen. Sie haben mich mit ihrer Liebe gerettet – immer wieder.
In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch beim Medienhaus Heilbronner
Stimme und vor allem beim echo bedanken – für das soziale Netz, das sie mir
in den letzten zwei Jahren geboten haben. Dank auch bei meinen Kollegen in der echo-Redaktion.
Wie oft war ich verzweifelt, nicht nur über die aktuelle echo-Ausgabe –
und Eure Unterstützung hat mir geholfen.
Denn wir wissen ja: Die echo-Redaktion ist – in welcher
Zusammenstellung auch immer - so gut wie die letzte Ausgabe. Ob nun der
Redaktionsleiter Ueckert oder Schwarz heißt. Der Leser will ein gutes und interessantes
echo haben – egal, welche personellen Veränderungen in der Redaktion
vorgenommen wurden. Ziel ist, ein erfolgreiches Medienprodukt zu kreieren. Dazu
sind alle aufgefordert. Keiner darf daneben stehen und schmollen.
Ich habe die echo-Redaktion immer als erfolgreiches Team verstanden und
erlebt. Ihr alle wart und seid wunderbare Teamspieler. Das hat mir sehr gut
getan. Denn ich war ja schon oft eine Zumutung, nicht nur für Leute, die mich
mögen und lieben.
Ich behaupte gelegentlich - selbst für Gott war ich eine Zumutung. Und
jetzt muss der mich auch noch als Katholik ertragen. Aber mit seinem großen
Humor, seiner augenzwinkernden Ironie und seinem gewissen Sarkasmus geht es –
wie es für mich bei Jeremia 20,7 heißt:
Du hast mich verführt, oh Herr, und ich, ich habe mich
verführen lassen.
Oder anders übersetzt – nicht ganz so erotisch:
Herr, du hast mich überredet, und ich habe mich überreden
lassen! Du bist stärker als ich und hast den Kampf gewonnen. Nun werde ich
lächerlich gemacht – tagaus, tagein; alle verhöhnen mich.
Dank Aphasie und Kavernom, gelegentlichen Sprech- und
Hör-Schwierigkeiten. Das muss ich wohl hinnehmen – wie auch immer. Wie sagt mir
der Weinsberger Neurologe Dr. Eppinger ernsthaft: Bei meinem Zustand kann es
leicht zu Depressionen kommen.
Ich musste ihm leider sagen – ich bin aus Vorpommern, Herr Doktor.
Depressionen kennen wir nicht. Nur Alkohol - und das Moor. Und davon kommt
niemand zurück.
Das echo ist Gottseidank kein Moor, in dem Redakteure oder
Volontäre versinken – auch wenn ich zunächst das glaubte: Als ich vor zehn
Jahre wechselte – vom Neckar Express zum echo. Damals – da wollte
ich nicht. Und als ich da war – wollte ich schon wieder weg. Das war nicht
meine Boulevard-Zeitung, die ich mir vorstellte. Aber ich lernte dazu - mit
Mühe.
Und nach rund zwei Jahren waren wir auf dem richtigen Weg. Wir wollten
nicht die erfolgreiche und geniale BILD-Zeitung, eine Zeitung für
Deutschland, imitieren. Wir wollten ein Boulevard-Blättchen für die Region
Heilbronn-Franken machen, ein schwäbisch-fränkisches BILD'le - quasi.
Und das sollte auch noch erfolgreich sein. War es.
Jetzt hatten wir im September gemeinsam zehn Jahre echo gefeiert
– schön war es, sehr schön. Fast so schön wie hier. Für mich – das hatte ich
schon beim 10-Jahre-Geburtstag gesagt – ist die echo-Geschichte eine
gewisse Liebesgeschichte. Denn auch eine Zeitung kann man mögen, sogar lieben,
wenn man mit ihr zusammenleben will.
Ich habe das echo in einem gewissen Sinne geliebt, das gebe ich
zu – sogar beide – Mittwoch und Sonntag. Allerdings nicht wie Menschen. Das
wäre ja auch zuviel gefordert – für einen Sünder, wie ich einer bin.
Zu dieser echo-Liebe gehören nicht nur schöne Augen machen,
sondern auch Kritik und Krach. Natürlich sachlich vorgetragen – die Kollegen
von der Anzeigenabteilung wissen, worüber ich rede.
Diese echo-Liebe muss für die Zeitungs-Macher allerdings heißen:
die Menschen in der Region mögen. Schwäbisch gesagt: den Menschen aufs Maul
schauen - und sie gleichzeitig kritisch beobachten. Und das mit Distanz, sonst
glauben sie uns nichts.
Denn unsere Leser tun es ähnlich mit uns – beobachten uns sehr genau,
sehr kritisch, was wir, die Zeitungsmacher, so tun oder auch nicht. Und wenn
ihnen das Blatt nicht gefällt, dann werden sie böse - oder noch schlimmer:
einfach ignorant - gleichgültig. Die höchste Strafe.
Wenn unseren Lesern jedoch das Blatt gefällt, dann entsteht mit der Zeit
vielleicht ein Verhältnis – eine Leser-Blatt-Bindung – und wenn es
hochkommt – dann kann daraus sogar eine Liebe entstehen.
Ratschläge werde ich jetzt keine geben, weder der echo-Radaktion
noch meinem Nachfolger – es gibt keinen Grund. Der Zyniker würde sagen:
Ratschläge gebe ich ohnehin nur noch gegen Geld. Ich drücke einfach die Daumen.
In diesem Sinne wünsche ich dem Medienunternehmen Heilbronner Stimme,
den echo-Machern, Redaktion, Anzeigenabteilung – einfach dem gesamten
Team, viel Glück. Vor allem aber Dir, lieber Ulrich Horndacher – Gesundheit und
weiterhin Erfolg, auch ohne mich. Und den echo-Lesern für die nächsten
zehn Jahre eine heiße Liebe – mittwochs und sonntags.
Vielen Dank.
Zum Wohl - auf das echo.
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