Das ganze Asylrecht steht auf dem Spiel
Die EU-Kommissionspräsidentin scheint erkannt zu haben, dass es so nicht weitergeht. Die Bürger brauchen dringend ein Signal von der Politik, dass sie verstanden hat und Gegensteuer gibt. Der beschlossene Migrationspakt, das Albanien-Projekt der Regierung Meloni, die Grenzschliessung gegen Russland und Weissrussland, von der Leyens Sprache der Dringlichkeit sind richtige Vorstösse.
Doch sie werden kaum reichen, um das Vertrauen der Bürger wiederzugewinnen. Es braucht viel mehr Tempo und Entschlossenheit bei der Umsetzung des Migrationspakts, damit Migranten ohne Asylgrund – die grosse Mehrheit der Ankommenden – wirksam von der Reise abgeschreckt oder in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden können. Letzteres geschieht europaweit bloss in 20 Prozent der Fälle.
Es steht viel auf dem Spiel. Geht es so gemächlich und widersprüchlich weiter mit der europäischen Asylpolitik, wird am Ende das ganze Asylrecht zur Disposition stehen. Denn irgendwann werden viele Bürger nicht mehr bereit sein, zwischen legitimen Asylbewerbern in Not und irregulären Einwanderern zu unterscheiden, die sich in Europa einfach ein besseres Leben erhoffen. Wer die humanitäre Tradition des Asylrechts retten will, muss jetzt entschlossen handeln.
(NZZ, 15.10.2024)
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